Epilepsie und Führerschein

In der Praxis von Prof. Dr. A. Hufnagel in Düsseldorf können verkehrsmedizinische Gutachten durch ihn oder durch Prof. Dr. R. Weber angefertigt werden.


Warum besteht bei Menschen mit Epilepsie eine eingeschränkte Fahrtauglichkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen?

Das wichtigste Phänomen der Epilepsie ist das plötzliche Auftreten von Anfällen. Diese führen häufig zur erheblichen oder vollständigen Beeinträchtigung des Bewusstseins. Selbst kleine (einfach-fokale) Anfälle, bei denen es definitionsgemäß nicht zum Verlust des Bewusstseins kommt, können die Fahrtauglichkeit beeinträchtigen. So können sie beispielsweise zu Störungen im Gesichtsfeld, Störungen im Hörvermögen oder Störungen der Beweglichkeit (z. B. durch Verkrampfungen) führen. Dies führt zur:

  • Eigengefährdung

  • Fremdgefährdung von mitfahrenden Personen

  • Fremdgefährdung von vollkommen unbeteiligten Straßenverkehrsteilnehmern

Nur wenige Verkehrsunfälle gehen glimpflich aus. Oft kommt es zu schweren Verletzungen, zum Teil mit Dauerfolgen oder gar zum Tod.

Das Straßenverkehrsgesetz besagt im § 2, dass geeignet zum Führen von Fahrzeugen ist, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt. Für Ärzte und Patienten ist die Entscheidungsgrundlage zur Beurteilung der Fahrtauglichkeit von Menschen mit epileptischen Anfällen und Epilepsien die „Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung gültig für Epilepsie seit dem Jahre 2022.“

Es handelt sich bei dieser Leitlinie um Empfehlungen, die in der Praxis jedoch einen nahezu verbindlichen Charakter haben.

Was besagen die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung vom Juni 2022?

Grundsätzlich wird zunächst einmal festgestellt, dass wer an epileptischen Anfällen leidet, nicht in der Lage ist den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen gerecht zu werden, solange ein wesentliches Risiko von Anfallsrezidiven besteht. Grundsätzlich gilt dies auch für andere anfallsartig auftretende Störungen mit akuter Beeinträchtigung des Bewusstseins, der Motorik oder anderer handlungsrelevante Funktionen, wie z.B. für Synkopen (Kreislaufkollaps) oder psychogene Anfälle.  Assoziierte körperliche oder psychische Störungen müssen berücksichtigt werden. Besteht eine antiepileptische Medikation, so darf die Fahrtüchtigkeit hierdurch nicht herabgesetzt werden. Bei Fahrerlaubnis Inhabern beider Gruppen (s.u.) sind fachneurologische Untersuchungen sowie fachneurologische Kontrolluntersuchungen in zunächst jährlichen Abständen erforderlich. Im Verlauf der Erkrankung (etwa bei einer langjährigen Anfallsfreiheit) kann das Intervall zwischen den Untersuchungen verlängert werden

Führerscheingruppen

Es wird zwischen 2 Führerscheingruppen unterschieden.

Führerschein der Führerscheingruppe 1 beinhaltet im wesentlichen Motorräder und PKW. Genauer gesagt sind hierin enthalten die Führerscheinklassen: A-Klassen und B-Klassen
In der Führerscheingruppe 2 sind die Führerscheinklassen C-Klassen und D-Klassen sowie Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung beinhaltet. Also vereinfacht Lastkraftwagen und Fahrgastbeförderung.

Regelungen in der Führerscheingruppe 1:

Erstmaliger Anfall
Nach einem unprovozierten, erstmaligen Anfall kann die Kraftfahreignung nach einer anfallsfrei gebliebenen Beobachtungszeit von 6 Monaten wieder bejaht werden, wenn die fachneurologische Abklärung (inkl. EEG und Bildgebung) keine Hinweise auf ein grundsätzlich erhöhtes Anfallsrisiko im Sinne einer beginnenden Epilepsie ergeben hat.
Sofern der Anfall an eine plausible anfallsauslösende Bedingung, wie z.B. ausgeprägter Schlafentzug oder akute Erkrankungen (beispielsweise hohes Fieber, anfallsauslösende Medikamente, akute Erkrankungen des Gehirns oder Stoffwechselstörungen) geknüpft war (sogenannter provozierter oder akuter symptomatischer Anfall) und wenn diese Bedingungen nicht mehr gegeben sind, kann die Kraftfahreignung nach einer anfallsfrei gebliebenen Beobachtungszeit von 3 Monaten wieder bejaht werden. Die minimal 3-monatige Anfallsfreiheit gilt auch bei epileptischen Anfällen, die in der 1. Woche nach einem Schädelhirntrauma oder einem neurochirurgischen Eingriff - jeweils ohne Hinweis auf eine strukturelle Hirnschädigung - aufgetreten waren. Bei provozierten Anfällen im Rahmen eines schädlichen Gebrauchs oder eine Abhängigkeit von psychotropen Substanzen ist eine zusätzliche Begutachtung durch die dafür zuständige Fachdisziplin, namentlich die Psychiatrie, erforderlich.

Epilepsien
Wird die Diagnose einer Epilepsie gestellt (d.h. nach wiederholten Anfällen) ist eine mindestens 1-jährige Anfallsfreiheit die Voraussetzung für das Erlangen der Kraftfahreignung. Das EEG muss dabei nicht zwangsläufig frei von Epilepsie-typischen Potenzialen sein. Bei einjähriger Anfallsfreiheit nach einem epilepsiechirurgischen Eingriff sind darüber hinaus mögliche operations-bedingte, fahrrelevante Funktionsstörung zu beachten.

Eine Fahreignung ist gegeben, wenn ausschließlich an den Schlaf gebundene Anfälle auftreten (die Bindung ist an den Schlaf und nicht notwendigerweise die Nacht zu sehen). Hierfür ist eine mindestens 3-jährige Beobachtungszeit erforderlich.

Die Fahreignung ist auch gegeben, wenn ausschließlich einfach-fokale Anfälle auftreten, die ohne Bewusstseinsstörung und nicht mit motorischer, sensorischer oder kognitiver  Behinderung für das Führen eines Kraftfahrzeug einhergehen. Hierzu ist eine mindestens einjährige Beobachtungszeit notwendig. Die Angaben müssen durch Fremdbeobachtung gesichert sein und dürfen sich nicht allein auf die Angaben des Patienten stützen.

Anfallswiederkehr bei bestehender Fahreignung
Kommt es nach langjähriger Anfallsfreiheit zu einem "sporadischen"  Anfall (oder mehreren Anfällen innerhalb von 24 h) so kann die Kraftfahreignung schon nach einer Fahrpause von 6 Monaten wieder bejaht werden. Hierzu muss eine fachneurologische Abklärung erfolgen, die keine Aspekte ergibt, die ein erhöhtes Rezidivrisiko bedingen würden. Lassen sich in dieser Situation relevante Provokationsfaktoren eruieren, die in Zukunft vermieden werden können, so kann die Fahrpausen auf 3 Monate verkürzt werden.

Beendigung der antiepileptischen Therapie
Bei schrittweiser Beendigung einer antiepileptischen Therapie bei Menschen, die fahrgeeignet sind, ist die Fahreignung für die Dauer der Reduzierung des letzten Medikamentes sowie für die ersten 3 Monate ohne medikamentöse Therapie nicht gegeben. Ausnahmen sind in gut begründeten Fällen möglich (z.B. insgesamt weniger Anfälle, Epilepsie-Syndrom mit niedrigem Rezidivrisiko, erfolgreiche epilepsiechirurgische Behandlung).

Regelungen in der Führerscheingruppe 2

Für eine Fahrerlaubnis der Gruppe 2 bestehen strengere Bestimmungen als für Fahrerlaubnis der Führerscheingruppe 1.Dies wird mit dem höheren Risiko anfallsbedingter Unfälle (längere Lenkzeiten) sowie der möglichen grösseren Unfallschwere (beispielsweise nach einem Lastwagen- oder Busunfall) begründet. Generell gilt, dass die Fahreignung für die Gruppe 2 nur dann erteilt werden darf, wenn der Betroffene keine Antiepileptika einnimmt.

Erstmaliger Anfall

Nach einem unprovozierten erstmaligen Anfall kann die Fahreignung nach einer anfallsfrei gebliebenen Beobachtungszeit von 2 Jahren wieder bejaht werden, wenn die fachneurologische Abklärung (inkl. EEG und Bildgebung) keine Hinweise auf ein grundsätzlich erhöhtes Anfallsrisiko im Sinne einer beginnenden Epilepsie ergeben hat.
Sofern der Anfall an eine plausible Anfalls-auslösende Bedingung, wie z.B. ausgeprägten Schlafentzug oder akute Erkrankungen (beispielsweise hohes Fieber, Anfalls-auslösende Medikamente, akute Erkrankungen des Gehirns oder Stoffwechselerkrankungen) geknüpft war (sogenannter provozierter oder akuter symptomatischer Anfall) und wenn diese Bedingungen nicht mehr gegeben sind, kann die Kraftfahreignung nach einer anfallsfrei gebliebenen Beobachtungszeit von 6 Monaten wieder bejaht werden.
Die minimale 6-monatige Anfallsfreiheit gilt auch bei epileptischen Anfällen, die in der 1. Woche nach einem Schädelhirntrauma oder einem neurochirurgischen Eingriff - jeweils ohne Hinweise auf eine morphologische Hirnschädigung - aufgetreten sind. Bei provozierten Anfällen im Rahmen eines schädlichen Gebrauchs oder eine Abhängigkeit von psychotropen Substanzen ist eine zusätzliche Begutachtung durch die dafür zuständigen Fachärzte (Psychologen und Psychiater) erforderlich.

Epilepsien
Wird die Diagnose einer Epilepsie gestellt (d.h. nach wiederholten Anfällen oder Hinweisen auf eine erhöhtes Wiederholungsrisiko nach einem 1. Anfall) bleibt die Kraftfahrereignung dauerhaft ausgeschlossen. Als Ausnahme gilt eine 5-jährige Anfallsfreiheit ohne antiepileptische Behandlung. Um dies zu beurteilen bedarf es einer fachneurologischen Untersuchung.

Hohes Maß an Eigenverantwortung

Anonyme Befragungen haben gezeigt, dass bis zu 30% aller Epilepsie-Patienten ein Fahrzeug führen, obwohl sie auf die nicht vorhandene Fahrerlaubnis hingewiesen wurden. Ob Anfälle weiter auftreten und wenn ja in welcher Häufigkeit und Form ist durch den behandelnden Arzt nicht kontrollierbar. Er muss sich vollständig auf die Angaben des Patienten und seiner Angehörigen verlassen können. Verlässlichkeit und ein hohes Maß an Eigenverantwortung sind somit Voraussetzung für eine ärztliche Beratung.

Für den Arzt besteht ein Melderecht, aber keine Meldepflicht. Er versteht sich grundsätzlich als Anwalt ihrer Interessen. Lediglich für den Fall, dass ein höheres Rechtsgut bedroht wird, wird er Meldung über das Fahrverhalten machen müssen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn er erfährt, dass ein Busfahrer oder LKW-Fahrer trotz mehrerer Anfälle weiterhin seiner Arbeit nachgeht und einen Bus oder LKW fährt.

Provozierter Anfall oder erster Anfall einer beginnenden Epilepsie

Handelt es sich um den ersten epileptischen Anfall und wurde durch Untersuchungen festgestellt, dass keine hirnorganische Erkrankung besteht und es sich auch nicht um den Beginn einer Epilepsie handelt, so sollte der Anfall möglichst als provozierter Anfall eingeschätzt werden. Oftmals gibt es provozierende Bedingungen im Verborgenen wie z. B. den chronischen Schlafmangel über mehrere Tage vor dem Anfall. Auch Schlafmangel und Alkoholkonsum führen häufig in der Kombination zu Anfällen.

Pflichten des behandelnden Arztes:

Ihr Arzt sollte Sie entsprechend der Begutachtungsleitlinien 2009beraten, die auch in der aktuellen Version der Begutachtungsleitlinien von 2022 noch gültig sind. Er Solltedies in der Akte dokumentieren. Ist die Fahrtauglichkeit nicht gegeben, so muss er dies dem Patienten in klarer und eindeutiger Weise gegenüber äußern. Eine Patientenunterschrift über die erfolgte Aufklärung ist nicht notwendig. Grundsätzlich besteht ärztliche Schweigepflicht. Wie oben erwähnt, besteht keine Meldepflicht gegenüber den Straßenverkehrsbehörden.

Neuerwerb des Führerscheins

Die Frage nach dem Vorliegen einer Epilepsie oder einer anders gearteten chronischen Krankheit auf dem Antragsformular der Straßenverkehrsbehörde sollte bejaht werden. Zu früheren Zeitpunkten stattgehabte provozierte Anfälle brauchen nicht angegeben werden. Möglicherweise genügt ein Attest des zuvor behandelnden Neurologen. Die Straßenverkehrsbehörde entscheidet darüber, ob ein Fahrtauglichkeitsgutachten notwendig ist. Bei Bewerbern für die Führerscheinklassen der Gruppe 2 sind generell Voruntersuchungen notwendig.

Begutachtung durch die Straßenverkehrsbehörden

Seit dem 01.01.1999 werden Fahrtauglichkeitsgutachten durch entsprechend vorgebildete Ärzte angefertigt. Hierfür zugelassen sind Ärzte mit verkehrsmedizinischer Qualifikation (zumeist Neurologen oder Psychiater), Ärzte des Gesundheitsamtes, Ärzte der öffentlichen Verwaltung oder Ärzte mit der Gebietsbezeichnung „Arbeitsmedizin“. Die Straßenverkehrsbehörden führen Listen mit Ärzten, die die Zusatzqualifikation Verkehrsmedizin erworben haben. Zu Begutachtende können sich dort einen Arzt ihrer Wahl aussuchen.

Es wurde festgelegt, dass der begutachtende Arzt nicht zugleich der behandelnde Arzt sein soll.